30. Mai 2020
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Über positive Erfahrungen als Führungskraft wachsen – 5 Guidelines für die Personalführung in Extremsituationen

Die Arbeitswelt, und damit auch die Personalführung, hat sich in den letzten Wochen so stark verändert wie noch nie zuvor und findet in neu definierten Formaten statt. Social Distancing und virtuelle Räume prägen immer noch unseren Arbeitsalltag. Wir sind als Führungskraft wie auch als Mensch gefordert, uns an die neuen Gegebenheiten anzupassen und damit auch unser Verhalten, Denkmuster und lieb gewonnene Gewohnheiten kritisch-konstruktiv in Frage zu stellen.

Wie soll ich als Führungskraft mit bestehenden, aber kaum noch zu erreichenden Zielen umgehen? Welchen Druck soll ich bei Mitarbeitenden aufrechterhalten und wo neue, angepasste Zielsetzungen definieren? Wie schaffen wir es als Führungspersonen, wichtige Schlüsselpersonen in der Organisation trotz hoher operativer und emotionaler Belastung zu stützen und sie dadurch zu halten? Wie gehen wir mit Mitarbeitenden um, die sich mit den Veränderungen schwer tun und mit Zukunftsängsten kämpfen? Last but not least: Wie stemme ich persönlich als Führungsperson und Vorbild in der Organisation diese Herkulesaufgabe?

Zur Überwindung dieser Herausforderungen verhilft bedarfshalber in einem ersten Schritt das Entwickeln von neuen sogenannten «technischen Kompetenzen» – wie beispielsweise die Optimierung des Umgangs mit Videokonferenzen. Mit dem vorliegenden Blogbeitrag zeigen wir auf, dass dies nicht ausreicht, um die Qualität unserer Führungsarbeit zu halten. Wenn sich das Umfeld verändert, müssen wir auch die Betrachtungsweise und das Weltbild anpassen, wie wir mit unserer Organisation optimal Ziele erreichen. Wir sind grundsätzlich gefordert, den Umgang mit den veränderten Führungssituationen neu zu erlernen. Wer die Bereitschaft hierzu nicht aufbringt, wird in der «neuen Normalität» als Führungskraft an Wirkung und Ausstrahlung einbüssen. Konkret bringen wir Ihnen 5 Guidelines näher, die Ihnen helfen, Ihre Wirkung als Führungskraft zu verbessern.

Positive Erfahrungen aus der Extremsituation sammeln und damit als Führungskraft wachsen

Wir leiten unsere Empfehlungen von folgendem Gedankengang ab: Unsicherheit in der Arbeitswelt ist wie Zahnschmerzen – niemand liebt sie. Den Blick gegen aussen gerichtet hat jede Führungskraft in den vergangenen Wochen aufgrund der sich rasch zuspitzenden Situation unausweichlich erfahren, wie lähmend und geschäftsschädigend sich Unsicherheit in der Umfeldentwicklung auswirkt. Das Erleben und Vermitteln von Stabilität und Sicherheit in der Organisation sind dementsprechend stark auf die Probe gestellt worden. Wenn wir das Scheinwerferlicht auf uns richten, wissen wir, dass wir alle grössere oder kleinere blinde Flecken in unseren Führungsmustern als Vorgesetzte aufweisen. Niemand von uns ist perfekt. Neue Situationen sind demzufolge eine Chance, die unterforschten Gedanken in unserem Weltbild zu vervollständigen. Wenn wir diese Chance nicht nutzen, bleiben wir aufgrund fehlender Referenzgrössen in der «neuen Normalität» zu vage in unseren Zielsetzungen und potenzieren die Verunsicherung aus dem Umfeld, indem wir diese auf uns und unsere Mitarbeitenden übertragen. Konkreter ausgedrückt heisst das: Wir alle haben Neuland betreten und können die neuen Herausforderungen nur bedingt mit Erfahrungswissen lösen. Wir wachsen als Führungskraft nur über die kritische Reflektion unserer Führungs-Glaubenssätze.

Guideline 1: Betonen Sie früh die Zukunft

«Danger is not a risk; No one wants to expose themselves to danger, but the real worry is in overestimating the risks.»

In Extremsituationen rasch Boden unter den Füssen zu erlangen, stellt einen wesentlichen Stellhebel für die nachhaltige Entwicklung Ihrer Organisation dar. Es ist wichtig zu realisieren, dass die «neue Normalität» das Fortbestehen der Organisation bereits seit geraumer Zeit gefährdet und damit nicht mit einem Risiko-Management begegnet werden kann. Wir können dieser Situation nicht ausweichen und müssen stattdessen die volle Energie und Aufmerksamkeit auf zukunftsweisende und geschäftsrelevante Aktionen lenken. Führungskräfte, die die aktuelle Krise als «Risiko» betrachten, fühlen sich in der Tendenz als «Opfer» des unvorhergesehenen Eintritts einer Verlustsituation. Es ist zudem trügerisch zu glauben, dass wir – aufgrund der Neuartigkeit der Situation – die Zukunft antizipieren können als Implikation von Entscheidungen, die wir heute in der Organisation treffen. Betrachtet eine Führungsperson die gegenwärtige Situation als «naturgegebene» Gefahr, so werden Entscheidungen getroffen, um das «Beste aus der Situation» zu machen und Schritt für Schritt positiv in die Zukunft zu schauen. Dadurch werden schon sehr früh gezielte zukunftsgerichtete Botschaften, positive Impulse in die Organisation und zu den Mitarbeitenden gesendet. Jene Führungskräfte, die nicht zwischen dem Umgang mit Risiko und Gefahr unterscheiden können, haben das Nachsehen.

Guideline 2: Wehren Sie sich nicht grundsätzlich gegen eine temporär stärkere operative Involvierung ins Tagesgeschäft

«Rough seas make great captains.»

Eine verstärkte operative Involvierung liegt in der Natur der Sache. Die verstärkte Unsicherheit gepaart mit der Verschiebung von Abstimmungen in Richtung virtueller Kanäle hat die Kommunikation und die Interaktion mit den Mitarbeitenden im Kern verändert. Um die Geschäfte gezielt weiterzuführen, «up to date» im alltäglichen Geschehen und nahe an den Mitarbeitenden zu bleiben, ist das Verharren auf dem «Command-And-Control»-Standpunkt wenig zielführend und erfolgsversprechend. Die Personalführung bedarf durch den virtuellen Wandel ein Mehr an Involvierung und Abstimmungen. Nur wenn wir «den operativen Puls» fühlen, können wir gute Wertbeiträge als Führungskraft einbringen. Wehren Sie sich nicht dagegen und betrachten Sie es als neue wichtige Führungsaufgabe, das «neue» operative Geschäft besser zu verstehen – um weiterhin Wirksamkeit in Ihrer Organisation zu erzeugen.

Guideline 3: Definieren Sie zusätzliche Filter, um den Fokus aufrechtzuhalten

«Without focusing and getting to clarity you cannot lead. You cannot motivate. You cannot plan. You cannot communicate.»

Eine stärkere operative Involvierung heisst nicht, dass jede zugetragene Aktivität persönlich wahrzunehmen ist. Es gilt weiterhin der Grundsatz, dass ohne Fokus nicht effektiv geplant, kommuniziert und motiviert werden kann – nur viel krasser. Der Umstand, dass sich aufgrund der gestiegenen Unsicherheit die Anzahl der täglichen Kontaktpunkte für Abstimmungen explosionsartig vervielfacht hat, führt unweigerlich zu Mehraufwand. Es ist daher zwingend, als Führungskraft zusätzliche neue Filter und Delegationsgrundsätze zu definieren. Hinterfragen Sie kritisch Ihre bisherige Priorisierungsstrategie und überlegen Sie sich bewusst, welche Aufgaben wirklich dringend und mit Ihrer vollen Aufmerksamkeit erledigt werden müssen. Und verzichten Sie konsequent auf Ihnen zugetragene Aktivitäten, die Sie delegieren oder ersatzlos streichen können. Seien Sie dabei mutig, um die Kräfte auf essenzielle Themen zu bündeln: Viele Aufgaben erhalten nur aufgrund formaler Anforderungen, Medienwirksamkeit oder aus Tradition eine erhöhte Aufmerksamkeit, sind aber wenig matchentscheidend für die Zukunft der Organisation. Vermeiden Sie es daher, sich durch vorherrschende «Scheindringlichkeiten» absorbieren zu lassen und in diesen zu verharren – denn viele dieser Themen lösen sich zwar nicht von selbst auf, entschärfen sich jedoch massgeblich, wenn ihnen Energie und Dringlichkeit entzogen wird.

Guideline 4: Konzentrieren Sie sich auf den Moment und vermeiden Sie Multitasking

«Activity is often unrelated to productivity. Busyness rarely takes care of business.»

Virtualität lässt keine Parallelität zu. Die Kommunikation verliert durch die virtuelle Welt an Dimensionalität: Aus 3D wird 2D, wodurch die Gesprächsgestaltung entsprechend angepasst werden muss und geordnet sequenziell zu erfolgen hat. Durch die Online-Interaktion sind unsere Informationskanäle auf Augen und Ohren beschränkt. Kontextrelevante Informationen, die wir sonst im direkten Kontakt zusätzlich erhalten und zum besseren Verständnis beitragen, entfallen.

Die Virtualität erfordert von uns deshalb eine erhöhte Konzentration, um Sachverhalte richtig zu verstehen. Unkonzentrierte Momente werden zudem von allen Meeting-Teilnehmern unmittelbar wahrgenommen und schaden unserer Reputation. Bleiben Sie daher in Online-Meetings fokussiert auf Ihr / Ihre Gegenüber, indem Sie alle möglichen Ablenkungen in Ihrer Umgebung (z.B. durch Handy) vermeiden. Einen Rückstand in der Abwicklung von Geschäften über eine Parallelisierung von Aktivitäten aufzuholen ist dementsprechend keine erfolgversprechende Verhaltensweise.

Guideline 5: Bereiten Sie sich besser auf Online-Meetings vor

«Success occurs when opportunity meets preparation.»

Eine gute Vorbereitung ist die halbe Miete. Es ist ein Irrglaube und ein falscher Anspruch an sich selbst, anzunehmen, dass Meetings im direkten Kontakt gleich effizient verlaufen und produktiv wie Online-Meetings sind. Der hohe Anspruch an Fokus und die Sequenzialität in der Gesprächsführung stellen herausfordernde Umstände dar. Um Meetings im virtuellen Raum zielorientiert zu gestalten und klare, wirksame Ergebnisse zu erzielen, ist eine Konzentration auf essenzielle Inhalte sowie eine Kürzung des Meetings in zeitlicher Hinsicht notwendig. Die zu behandelnden Themen sind auf eine überschaubare Anzahl zu begrenzen; zu erarbeitende Elemente sind in Form von Vorbereitungsaufträgen zu erledigen. Entsprechend intensiviert sich der Aufgabenaufwand für ein Meeting hinsichtlich vor- und nachgelagerter Aktivitäten. Planen Sie daher realistisch und mit ausreichend Zeit. Wir empfehlen für Abstimmungs-Meetings eine Vorbereitungs- und Durchführungsdauer von jeweils 15 Minuten; für Entscheidungs-Meetings eine Vorbereitungszeit von 30 Minuten und eine Durchführungszeit von 60 Minuten.

Unsere 5 Guidelines zeigen, dass Sie als Führungskraft mit einer Handvoll einfach in den Arbeitsalltag zu integrierenden Grundsätzen positive und wirksame Erfahrungen in der Extremsituation sammeln und dadurch mehr Sicherheit und Zukunftsglaube in der Personalführung ausstrahlen können. Reflektieren Sie die Guidelines für sich persönlich oder kontaktieren Sie uns, um eine vertiefte Reflektion Ihrer Führungswirkung in einer eins-zu-eins Coaching-Sequenz zu spiegeln.

Mit unserem fachspezifischen Knowhow in Coaching und Teamentwicklung stehen wir Ihnen als kompetenter Sparringpartner zur Seite, um Nachhaltigkeit und den Glauben an die Leistungsfähigkeit der Organisation weiter zu entwickeln. Gemeinsam bleiben wir stark.

Marco Brogini
Dr. Marco Brogini
Senior Partner
Romy Schnyder - Valion AG
Romy Schnyder
Partnerin

2 Kommentare

  1. Lieber Christof
    Herzlichen Dank für deinen wertvolle Schilderung. Ich kann deine Erfahrung sehr gut nachempfinden und stelle gleichzeitig fest, dass deine Fallschilderung mehr die Regel als die Ausnahme darstellt. Interessant wäre zu wissen wie die Reaktionen ausfallen, wenn Du die Thematik des Verlustes an Fokus in den Führungsgremien aktiv thematisierst? Ich bin überzeugt, dass deine Überzeugung von vielen „Mitstreitern“ geteilt wird und sich die GL des demotivierenden Einflusses der Übersteuerung zu wenig bewusst ist. Lasse nicht locker, man braucht dein engagiertes Arbeiten!

  2. In unserem Unternehmen hat man im Januar zu einer Prozessgeführter Organisation gewechselt.
    Diese Organisation hat die Eigenart dass die Linien- und Prozessorganisation nicht identisch sind.
    Ich bin in vielen Schlüsselprojekten tätig was sehr befriedigend ist. Was Ich jedoch als problematisch empfinde ist, dass man als Schlüsselperson von verschiedenster Stellen übersteuert wird.
    In so Krisensituationen ist es besonders wichtig, dass Schlüsselpersonen voll ihre Erfahrung fokussiert einsetzten Können und so entsprechend Wirkung erzielen.
    Deshalb ist besonders wichtig dass solche Personen Freiräume bekommen, auch wenn man nicht mehr bei allen Ritualen, Teammeetings und dergleichen dabei ist.
    Man muss sehr aufpassen, dass man da nicht Demotivationen erzeugt.
    In so Situationen sollte man auch die Führung straffen und das Personal individueller führen und nicht alle über den gleichen Leist schlagen.

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